Nur einmal Babys haben?
Als Meeri-Liebhaber denkt fast jeder früher oder später darüber nach, einmal süßen Meeri-Nachwuchs zu bekommen. Dafür habe ich auch Verständnis. Als kleines Mädchen wollte auch ich unbedingt Meerschweinchen züchten, ich wollte unbedingt, dass meine ersten beiden Meeri-Damen auch mal Babys bekommen. Doch meine Eltern haben mich aufgeklärt und davon abgehalten – und das zu Recht. Ich war damals gerade einmal 11 Jahre alt und mir war noch überhaupt nicht bewusst, was es heißt, wirklich zu züchten.
Man denkt immer: „Man setzt einfach einen Bock mit einem Weibchen zusammen und schon hat man bald niedliche Meerschweinchenbabys.“ So dachte auch ich. Doch dass nicht jedes Tier dafür geeignet ist, dass es versteckte Erbkrankheiten, Gendefekte usw. gibt, das alles wusste ich nicht.
Meine Eltern schenkten mir ein Buch, in dem sehr ausführlich beschrieben war, was es alles zu bedenken gibt, bevor man verpaart. Alle Risiken wurden ausführlich aufgeführt. Nachdem ich das gelesen hatte, wollte ich unter keinen Umständen mehr meinen geliebten Meeris so etwas zumuten. Ich habe daraufhin JAHRELANG meine Freizeit damit verbracht, alle möglichen Bücher und Internetseiten nach Wissen über Krankheiten, Genetik und weiterem Zuchtwissen zu durchstöbern. Jetzt, 14 Jahre später, fühlte ich mich endlich bereit, mit der Meerschweinchenzucht anzufangen. 14 Jahre hat es gedauert - Und warum? Weil Züchten viel mehr ist, als einfach nur Weibchen und Männchen zusammenzusetzen.
Trächtigkeit, Geburt und Aufzucht haben auch ihre Schattenseiten, über die man aber kaum irgendwo etwas liest. Überall sieht man nur Bilder von süßen, gesunden Meerschweinchenbabys. Klar denkt man dann schnell, dass es total einfach ist, Meerschweinchen zu züchten. Läuft eine Trächtigkeit mal nicht so gut, dann schreibt fast niemand etwas darüber, weil man schnell als Tierquäler beschimpft wird. Es fehlt an negativen Beispielen, obwohl es gerade bei Meerschweinchen auffällig oft zu Komplikationen kommt. So glaubt leider die Mehrheit, es sei völlig problemlos, süße Meeris in die Welt zu setzen.
Doch warum habe ich so viele Jahre gewartet mit dem Züchten? Weil viele Meerschweinchen die Trächtigkeit, die Geburt oder die Aufzuchtphase nicht überleben. Man muss sich unbedingt vorher Grundwissen über die Handaufzucht von Meerschweinchen aneignen. Denn bei Meerschweinchen sind Probleme bei der Aufzucht leider schon fast eher die Regel, als die Ausnahme. Vor allem bei Leuten, die noch keine Erfahrung mit Meeribabys haben. Schwache Jungtiere, ein zu großer Wurf, eine zu schwache oder verstorbene Mutter – all das ist keine Seltenheit. Und im Falle eines Falles muss man die Waisenbabys dann alle 2 Stunden päppeln – auch nachts!
Meerschweinchenbabys sind unglaublich groß im Verhältnis zur Mutter. Schon vor der Geburt haben sie Fell, die Augen sind schon 2 Wochen vor der Geburt geöffnet. Kaum sind sie auf der Welt, laufen sie auch schon los und probieren Futter. Da ist es nur logisch, dass es oft zu Problemen bei der Geburt kommt, wenn die Babys so riesig sind. Bei kleinen Würfen sind die einzelnen Babys sogar noch größer, wodurch oft ein Kaiserschnitt nötig wird, weil ein Riesenbaby im Geburtskanal steckenbleibt. Ein Kaiserschnitt kostet mindestens 200 Euro, meistens eher das Doppelte. Selten überlebt die Mutter oder eines der Babys. Es gibt Rassen, die besonders oft zu Komplikationen bei Trächtigkeit und Geburt neigen. Dazu gehören u. a. Schweizer Teddys und Lunkaryas, vermutlich wegen ihrer Neigung zu Übergewicht. Doch ich selbst hatte auch schon Komplikationen bei schlanken Schweizer Teddys.
Bekommt man nicht rechtzeitig mit, dass es Probleme bei der Geburt gibt, findet man oft nur noch ein unterkühltes Weibchen, das man einschläfern muss mitsamt der Babys im Bauch oder man findet eine bereits tote Mutter. Manche Mütter schaffen es, aus purer Verzweiflung, das feststeckende Baby so kraftvoll herauszuziehen, dass das Baby dabei zerreißt und stirbt. Manche Mütter überleben das, andere nicht. Letzteres habe ich im Übrigen gleich bei einem der ersten Würfe erleben dürfen und es ist wirklich kein schöner Anblick, wenn man einzelne Teile eines Babys im Gehege findet. Es war der erste Wurf meines Weibchens und sie war leider mit nur einem einzigen Baby trächtig, das etwa so groß war wie normalerweise 3 – 4 Wochen alte Babys.
Das ist aber noch lange nicht alles. Meerschweinchen haben eine sehr empfindliche Verdauung. Trächtige Weibchen brauchen eine gleichmäßige Gabe von allen wichtigen Nährstoffen, damit gesunde Babys in ihnen heranwachsen können. Zu viele Nährstoffe führen aber dazu, dass es später Probleme gibt. Am Ende der Trächtigkeit steigt der Energiebedarf der werdenden Mütter enorm an. Gibt es von Anfang an zu energiereiches Futter, so können die Mütter sich am Ende nicht mehr in ihrem Energiebedarf steigern, da sie ja schon die ganze Zeit so energiereich wie möglich gefressen haben. Daraufhin kommt es zu einer sogenannten Trächtigkeitstoxikose. Eine Vergiftung, bei der der Stoffwechsel entgleist. Die Mutter stirbt, bevor die Babys zur Welt kommen, es kommt zu einer Frühgeburt und die Mutter und Babys sterben in kürzester Zeit. Gegen die Toxikose gibt es kaum hilfreiche Mittel. Dass die Toxikose eine ernstzunehmende Gefahr ist, zeigt die Tatsache, dass gerade Zuchtanfängern die tragenden Weibchen nur so wegsterben. Als ich meinen ersten Zuchtbock beim Züchter abholte, erzählte mir die Züchterin, dass ihre ersten drei (!) tragenden Weibchen alle an der Trächtigkeitstoxikose gestorben sind. Sie wollte schon wieder die Zucht einstellen, doch andere Züchter sagten ihr, das sei völlig normal am Anfang und sie solle sich nicht entmutigen lassen. All das erzählte sie mir, weil mir noch der erste Wurf bevorstand und auch mir so etwas hätte passieren können. Man sieht also, dass bei Meerschweinchen häufiger etwas schiefgeht, als bei manch anderen Tierarten.
Die Toxikose kann aber auch erst nach der Geburt auftreten und dann heißt es: Alle 2 Stunden Babys päppeln, auch nachts!
Dass bei unwissenden „Babymachern“ alles gut geht, ist eher eine Glückssache. Da niemand darüber spricht und viele nicht auf diese wichtigen Punkte achten, muss die Dunkelziffer missglückter Zuchtversuche verdammt hoch sein.
Leichtgewichtige Babys, die gerade einmal 50 – 60 g bei der Geburt wiegen, sind oft das Ergebnis falscher und energiearmer Fütterung während der Trächtigkeit. Diese Babys müssen ebenfalls alle 2 Stunden gepäppelt werden. Das normale Geburtsgewicht liegt je nach Rasse bei 80 – 100 g.
Es ist kein Zufall, dass so viele Leute, die z. B. unwissentlich ein tragendes Weibchen gekauft haben, die Babys dann später päppeln müssen. Sie wussten nichts von der Trächtigkeit, haben dementsprechend weniger Futter zur Verfügung gestellt, als benötigt worden wäre und die Babys kommen viel zu dünn zur Welt.
Auch ich habe nicht sofort alles richtig gemacht. Die Babys in meinem ersten Wurf wogen alle um die 75 g. Das ist schon echt wenig, vor allem für Schweizer Teddys, die wiegen normalerweise eher um die 100 g bei der Geburt. Und ich hatte extra schon so gefüttert, als ob noch zwei erwachsene Tiere mehr im Gehege wären. Trotzdem hat es nicht gereicht. Man unterschätzt, was für einen enormen Energiebedarf Meerschweinchen während der Trächtigkeit und der Aufzucht ihrer Jungtiere haben.
Ein anderes Problem stellt die Tatsache dar, dass Meerschweinchen nur zwei Zitzen haben. Mit drei Babys klappt das Säugen meistens noch ganz gut. Bei vier Babys muss man aber oft schon ein paar Babys päppeln. Oft bekommen die Meerschweinchenmütter eine Gesäuge-Entzündung, wenn sie 4 oder mehr Babys haben. Durch das viele Säugen werden die Zitzen wund und entzünden sich. Entweder trennt man die Mutter dann von den Babys (kein Tier darf alleine sitzen!), oder man muss ihr einen Body anziehen, damit die Babys nicht an die Zitzen gehen und Eiter trinken. So oder so müssen dann alle Babys alle 2 Stunden gepäppelt werden und die Mutter braucht ein Antibiotikum sowie Bird Bene Bac zum Aufbau der Darmflora.
Zu gerne werden all diese berechenbaren Ursachen auf "kranke Eltern", „vorherige schlechte Haltung“ oder „schlechte Gene in der Abstammung“ geschoben. Natürlich gibt es solche Ursachen. Aber leider ist es so, dass die Mehrheit dieser Komplikationen auf Unwissenheit zurückzuführen ist, weil man sich nicht ausreichend informiert und „einfach nur mal süße Meerschweinchenbabys haben will“.
Es reicht nicht aus, im Internet nach Erfahrungen zu fragen oder Bücher zu lesen. Selten wird auf die Warnungen und Erfahrungen von Züchtern, Notstationen oder Tierheimen gehört.
Neben all diesen vermeidbaren Komplikationen gibt es auch Komplikationen, die man nicht vermeiden kann. Totgeburten zum Beispiel. Es sind schreckliche Bilder, die ein Kind für den Rest des Lebens traumatisieren können. Meerschweinchen fressen instinktiv totgeborene Babys an oder ganz auf, damit sie keine Fressfeinde anlocken. In diesem Fall findet man halb aufgefressene Babys im Stall und das ist kein schöner Anblick. Was ist, wenn die Kinder als Erstes zum Stall gehen und so etwas vorfinden? Sind sie alle abgehärtet genug, um so etwas zu verkraften? All diese Komplikationen sind selbst für erfahrene Züchter schwer zu verkraften und so manch einer hört genau aus diesen Gründen ganz schnell wieder mit der Zucht auf.
Zudem gibt es leider auch ansteckende Krankheiten, die einem Tier nicht anzusehen sind. Manche Tiere tragen „latent“ Krankheiten mit sich herum, die bei dem Tier selbst nicht ausbrechen. Sie scheiden aber die Krankheitserreger ihr Leben lang aus und stecken andere Tiere im Gehege damit an. Bei Tieren mit einem schwachen Immunsystem kann so eine Krankheit dann schnell ausbrechen, wenn es angesteckt wurde. Trächtige Weibchen und Babys sind dabei besonders gefährdet. Neue Tiere einige Wochen in Quarantäne zu halten (niemals alleine halten!) kann die Gefahr solcher Krankheiten reduzieren, aber Krankheiten wie z. B. Kokzidien, Chlamydien, Mykoplasmen oder E. Cuniculi werden dadurch selten erkannt. Hat man seine Tiere vor der Verpaarung nicht auf solche lebensgefährlichen Krankheiten testen lassen, so kann man u. a. durch das trächtige Tier all seine Tiere anstecken und seinen gesamten Bestand verlieren. Von solchen Fällen habe ich in letzter Zeit leider häufiger gelesen, deswegen möchte ich es nicht unerwähnt lassen. Denn für mich ist es die schlimmste Vorstellung, alle meine Tiere zu verlieren, nur weil ich ein neues Tier ungetestet zu meinen geliebten Schweinchen gelassen habe.
Dann gibt es da noch Erbfehler, Gendefekte und andere genetische Komponente, die Einfluss auf die Gesundheit der Babys haben. Nur wenn beide Elterntiere einen Stammbaum haben, dürfen sie überhaupt zur Zucht eingesetzt werden. Wenn ein Züchter angibt, dass ein Tier nicht für die Zucht eingesetzt werden darf, dann hat das auch seine Gründe. Wer den Züchter hintergeht und trotzdem mit dem Tier züchtet, muss selbst mit den Konsequenzen leben, die daraus folgen werden. Aber auch gesunde Tiere können kranken Nachwuchs zur Welt bringen, wenn man nicht weiß, wie die Gene zusammenspielen und man einfach drauf los irgendwelche Tiere zusammensetzt. Bei Kaninchen gibt es z. B. einen Gendefekt, der bei der Verpaarung von zwei Schecken dazu führt, dass ein Teil der Babys nicht lebensfähig ist und nach kurzer Zeit verstirbt. Diese Babys nennt man „Chaplins“. So einen ähnlichen Gendefekt gibt es bei Meerschweinchen auch. Bei Meerschweinchen sorgt der sogenannte „Lethalfaktor“ dafür, dass Dalmatiner- und Schimmelmeerschweinchen ihr schickes Fleckenmuster erhalten. Der Lethalfaktor zieht dabei die Farbe aus dem einzelnen Haar heraus und lässt es weiß erscheinen. Er bleicht das Fell sozusagen aus. Verpaart man zwei Tiere, die diesen Lethalfaktor in sich tragen, so wird die „Ausbleichung“ so extrem, dass sie auf Organe der Babys übergreift. Die Babys sind schneeweiß, die Augen werden nicht komplett ausgebildet oder fehlen ganz, die Tiere sind taub und die Zähne fehlen. Sie können nur schwer oder meistens auch gar nicht selbstständig fressen und müssen ihr Leben lang alle zwei Stunden gepäppelt werden. Die meisten dieser sogenannten „Lethal Whites“ sterben innerhalb der ersten Wochen. Nur wenige werden ein paar Jahre alt.
Wer keinen Stammbaum für seine Tiere hat, kann nicht sehen, ob die Vorfahren Dalmatiner oder Schimmel waren. Jedes Tier, das auch nur ein einziges weißes Haar hat und keinen Abstammungsnachweis hat, kann theoretisch ein Schimmel oder Dalmatiner sein. Selbst bei Nichtvorhandensein eines weißen Haars kann man sich nicht sicher sein, dass das Tier frei von diesem Gendefekt ist. Damit besteht bei jeder Verpaarung von Tieren ohne Stammbaum die Gefahr, dass schwerbehinderte Babys zur Welt kommen. Und der Lethalfaktor ist nicht der einzige krankhafte Defekt, der bei falschen Verpaarungen zum Problem werden kann. Ich persönlich bin deswegen zum Beispiel grundsätzlich dagegen, dass man Dalmatiner und Schimmel überhaupt züchten darf, wenn sie doch alle Träger von einem Gendefekt sind. Aber das mal nur so am Rande.
Aber gehen wir mal davon aus, dass alles gutgeht, auch wenn das bei Anfängern wirklich nicht die Regel ist.
Was ist denn, wenn 5 Böcke geboren werden? Unkastrierte Böcke bekommt man so gut wie überhaupt nicht vermittelt. Es sei denn, man verscherbelt die armen Kerle für 5 Euro. Dann kommen nämlich die Schlangenhalter und nehmen das günstige Tier gerne an, um es ihrer Schlange zum Fraß vorzusetzen.
Ohnehin besteht da noch das Problem, dass Meerschweinchen 4 – 6 Wochen lang gesäugt werden, Böcke aber schon im Alter von 3 Wochen erfolgreich decken können (!! Ganz wichtig !!). Die Böcke alle so früh von ihrer Mutter zu trennen ist unverantwortlich, denn sie müssen noch gesäugt werden und lernen noch viel von ihrer Mutter. Deswegen sollten sie alle frühkastriert werden. Je nach Region kostet eine Kastration meistens zwischen 40 und 70 Euro. Und das schlimmstenfalls für 5 Böcke. All das muss vor der Verpaarung einkalkuliert werden. Das heißt, bevor man mit dem Verpaaren von Meerschweinchen anfängt, sollte man das Geld für 5 Kastrationen zur Seite legen sowie nochmal das Geld für einen Kaiserschnitt. Das macht dann so etwa 650 Euro, die man für den Notfall auf jeden Fall parat haben sollte, lieber mehr.
Aber wie wird der Zuchtbock gehalten? Meerschweinchen dürfen nicht alleine gehalten werden, da sie sehr darunter leiden. Die meisten Meerschweinchen fressen schlecht, wenn sie alleine sind oder stellen das Fressen komplett ein. Deswegen braucht der Zuchtbock unbedingt einen Partner. Dafür eignet sich ein jüngerer Frühkastrat. Der Frühkastrat ordnet sich dem Älteren sofort unter und zeigt in der Regel auch in der Pubertät kein Rangverhalten. So kann der Frühkastrat auch beim Zuchtbock bleiben, wenn er Damenbesuch bekommt. Wenn man einen Zuchtbock haben möchte, braucht man also insgesamt schon wieder mindestens zwei weitere Schweinchen und auch ein entsprechend großes Gehege. Und wenn es wirklich nur ein einmaliger Wurf sein soll, dann sollte der Zuchtbock auch kastriert werden, sobald das Weibchen trägt. Ein potentes Leben ohne Damen ist für einen Bock nämlich durchaus anstrengend.
Also lasst uns mal an dieser Stelle zusammenrechnen, wie viele Tiere und wie viel Platz man für einen Wurf eigentlich so einplanen muss... Wir haben das Zuchtweibchen. Das möchte auch einen Partner, am gesündesten ist als Partner ein kastrierter Bock. Dann ist da noch der Zuchtbock, der einen Frühkastraten als Partner möchte. Zwei Gehege für je zwei Schweinchen braucht man also schonmal. Dann kann es sein, dass das Weibchen 5 Böcke zur Welt bringt. Potente Böcke, aber auch kastrierte Böcke warten in der Regel länger auf ein Zuhause, als Weibchen. Man muss also auch noch Platz für fünf erwachsene Böcke einplanen sowie weitere Gehege für den Fall, das die Schweinchen sich nicht alle verstehen. Am besten sollte man also schon vor der Verpaarung genug Abnehmer für Böcke und für Weibchen haben. Züchter nehmen in der Regel nur Tiere bei sich auf, die ihnen bei ihrem Zuchtziel weiterhelfen und einen Stammbaum haben. Zudem planen gute Züchter ihre Würfe auch immer so, dass jedes einzelne Tier so lange bei ihm bleiben kann, wie es nach einem guten Zuhause sucht. Dadurch ist der Platz für die ungeplante Aufnahme von Meerschweinchen bei Züchtern auch nur sehr begrenzt. Dann müssten die Babys nach der Übergabe an den Züchter auch erst einmal wieder in Quarantäne und sie müssten auf Krankheitserreger untersucht werden, was wieder mit Kosten verbunden ist, die der Züchter für die fremden Tiere nicht eingeplant hat. Eine Abgabe der Babys an den Züchter, von dem man die Zuchttiere hat, ist deswegen normalerweise nicht möglich. Wer Babys in die Welt setzt, muss auch selbst dafür sorgen, dass sie gut unterkommen.
Wer den ganzen Text gelesen hat und trotzdem gerne Meerschweinchen-Nachwuchs haben möchte, der bekommt an dieser Stelle noch einmal eine Zusammenfassung mit allen wichtigen Punkten, die vor der Verpaarung zu beachten sind – sowie ein paar Zusatzinformationen:
Die von mir geschilderten Punkte sind keine Übertreibungen, bei Meerschweinchen geht während der Trächtigkeit, der Geburt oder der Aufzucht wirklich verdammt oft etwas schief und ich möchte, dass Personen, die an der Zucht interessiert sind, bestmöglich aufgeklärt und beraten werden, bevor es am Ende böse Überraschungen gibt. Ich möchte niemanden davon abhalten, Meerschweinchen zu züchten. Wer alles gut durchdacht hat, ist herzlich unter den Züchtern willkommen. Ich möchte nur darüber aufklären, was „Zucht“ eigentlich bedeutet, da die meisten einfach die falschen Vorstellungen davon haben. Züchten ist so viel mehr, als einfach nur "ein Bock mit einem Weibchen zusammenzusetzen". Ich möchte, dass jeder vor der Verpaarung schon weiß, was auf ihn zukommt und was es an Komplikationen alles geben kann. Wer schon einmal von den Komplikationen gehört hat, der kann im Ernstfall sich auch daran erinnern und seinem Weibchen sogar das Leben retten. Ich möchte, dass jeder, der über Meeri-Nachwuchs nachdenkt, schon vorher das Geld für einen Kaiserschnitt parat hat, damit bei Problemen das Weibchen mit den Babys nicht eingeschläfert wird, nur weil es „einfacher und günstiger“ ist. Jedes Leben ist lebenswert und es sollte jedem Tier eine Chance gegeben werden können.
Was ich verhindern möchte, ist wildes Vermehren. Wenn jemand zwei Tiere verpaart, dann bitte Tiere, die genetisch zueinander passen und dafür braucht man nun einmal Wissen, das man sich nicht mal eben so in ein paar Tagen aneignen kann.
Obwohl ich schon immer züchten wollte, habe ich vor dem Züchten erstmal als Notstation angefangen, weil es in dieser Region zu viele Menschen gibt, die unüberlegt Meerschweinchenbabys produzieren und auf dem Nachwuchs sitzen bleiben. Am Ende wird der Großteil dieser unüberlegt produzierten Meerschweinchen in Tierheime gegeben oder sogar ausgesetzt. Ich habe gerne die Schweinchen bei mir aufgenommen, die es besonders schlimm erwischt hat. Zum Beispiel Meerschweinchen, die nicht nach Geschlechtern getrennt waren und auf viel zu wenig Platz gehalten wurden, wodurch sie sich alle gegenseitig gedeckt haben. Aufgrund des geringen Platzes haben sie sich auch gegenseitig stark verletzt bei Kämpfen aus Unzufriedenheit. Die Behandlungen waren langwierig und teuer, doch es ist toll, wenn aus einem dürren, kranken, ängstlichen Tier mit der Zeit ein kräftiges, gesundes Tier wird, das nach und nach das Vertrauen zu den Menschen zurückgewinnt. Doch es gibt zu viele Tiere, die dasselbe Schicksal haben. Und das einfach nur, weil alle süße Meerschweinchenbabys haben wollen, die dann aber auch irgendwann mal groß werden und plötzlich langweilig sind und weg müssen. Wenn ich zehn Schweinchen rette, werden zeitgleich wieder irgendwo zehn Meerschweinchen geboren, die nach einem Zuhause suchen. Durch die vielen „schlechten“ Züchter haben viele ein falsches Bild von Züchtern und wollen ihre Tiere nicht mehr von einem Züchter holen. Sogar viele Notstationen scheren gute Züchter mit den schlechten Züchtern über einen Kamm und raten davon ab, Meerschweinchen bei jemandem zu holen, der sie bewusst in die Welt gesetzt hat. Denn die Babys würden ja „den armen Meerschweinchen in Not ihre Plätze wegnehmen“. Dadurch bleiben viele Züchter lange auf ihren Tieren sitzen, weil viele „nur noch Meerschweinchen aus Notfällen“ haben wollen oder Meerschweinchen selbst retten. Dadurch sind die richtigen, guten Züchter, die jede Verpaarung mit Herz und Verstand setzen, in den letzten Jahren immer weniger geworden. Man kann keine neue Verpaarung setzen, wenn die Babys teilweise ein halbes Jahr auf einen Abnehmer warten müssen und die Plätze noch belegt sind. Das „gute“ Züchten wird zu teuer und viele geben auf.
Und das hat mich dazu bewegt, doch mit dem Züchten anzufangen. Ich möchte zeigen, dass Züchten auch richtig geht, mit viel Platz, gesunder Ernährung, mit Kenntnissen über Genetik, mit Augenmerk auf Gesundheit und mit der Möglichkeit, jedem Tier die entsprechende Behandlung zukommen zu lassen, die es braucht. Gutes Züchten ist teuer, doch es ist ein Hobby und ich investiere gerne mein Geld und meine Zeit in meine geliebten Vierbeiner. Ich möchte meine Meerschweinchen nicht an Liebhaber abgeben, sondern in erster Linie dafür sorgen, dass Zuchttiere auch in Züchterhänden bleiben. Züchteranfragen haben bei mir immer Vorrang, denn es gibt zu wenig gute Züchter und zu wenige, geeignete Tiere für die Zucht. Ich möchte keinen Liebhabertieren die Liebhaberplätze wegnehmen. Ich gebe natürlich meine Tiere auch an Liebhaber ab, vor allem müssen ja auch die Rentnerschweinchen am Ende ihres Zuchteinsatzes ein passendes Zuhause finden. Aber es ist nicht mein Ziel, meine Tiere in Liebhaberhände abzugeben. Ich züchte, um die Rasse zu erhalten und weiter zu festigen und das kann ich nicht alleine, dafür brauche ich andere Züchter mit ähnlichem Zuchtziel, die dann wiederum die Tiere für ihr Zuchtziel benötigen, die ich abzugeben habe. Meine Böcke werden alle kastriert an Liebhaber abgegeben, eben genau um „einmal Babys haben“ zu verhindern. Jemand, der unbedingt einmal Nachwuchs haben will, muss sich einen Bock also woanders suchen.
Ich habe mich jahrelang in das Thema Zucht eingearbeitet und habe mich erst an sie herangetraut, als ich mich wirklich dafür bereit fühlte und ich mir sicher war, dass ich zu jedem Zeitpunkt genügend Rücklagen habe, um einen Kaiserschnitt oder andere Operationen zu bezahlen. Bitte lasst euch genug Zeit mit der Entscheidung. Meerschweinchen sind klein und niedlich, aber sehr anspruchsvoll. Gerade beim Züchten. Es geht mir um das Wohl der Tiere und ich denke, dass niemand wirklich das Leben seiner geliebten Schweinchen auf’s Spiel setzen möchte, nur um „einmal Babys zu haben“. Denkt an eure Schweinchen und wägt wirklich gut ab, ob ihr die Verantwortung für eine reibungslose Trächtigkeit und Aufzucht der Jungtiere wirklich übernehmen wollt und auch könnt.
Man denkt immer: „Man setzt einfach einen Bock mit einem Weibchen zusammen und schon hat man bald niedliche Meerschweinchenbabys.“ So dachte auch ich. Doch dass nicht jedes Tier dafür geeignet ist, dass es versteckte Erbkrankheiten, Gendefekte usw. gibt, das alles wusste ich nicht.
Meine Eltern schenkten mir ein Buch, in dem sehr ausführlich beschrieben war, was es alles zu bedenken gibt, bevor man verpaart. Alle Risiken wurden ausführlich aufgeführt. Nachdem ich das gelesen hatte, wollte ich unter keinen Umständen mehr meinen geliebten Meeris so etwas zumuten. Ich habe daraufhin JAHRELANG meine Freizeit damit verbracht, alle möglichen Bücher und Internetseiten nach Wissen über Krankheiten, Genetik und weiterem Zuchtwissen zu durchstöbern. Jetzt, 14 Jahre später, fühlte ich mich endlich bereit, mit der Meerschweinchenzucht anzufangen. 14 Jahre hat es gedauert - Und warum? Weil Züchten viel mehr ist, als einfach nur Weibchen und Männchen zusammenzusetzen.
Trächtigkeit, Geburt und Aufzucht haben auch ihre Schattenseiten, über die man aber kaum irgendwo etwas liest. Überall sieht man nur Bilder von süßen, gesunden Meerschweinchenbabys. Klar denkt man dann schnell, dass es total einfach ist, Meerschweinchen zu züchten. Läuft eine Trächtigkeit mal nicht so gut, dann schreibt fast niemand etwas darüber, weil man schnell als Tierquäler beschimpft wird. Es fehlt an negativen Beispielen, obwohl es gerade bei Meerschweinchen auffällig oft zu Komplikationen kommt. So glaubt leider die Mehrheit, es sei völlig problemlos, süße Meeris in die Welt zu setzen.
Doch warum habe ich so viele Jahre gewartet mit dem Züchten? Weil viele Meerschweinchen die Trächtigkeit, die Geburt oder die Aufzuchtphase nicht überleben. Man muss sich unbedingt vorher Grundwissen über die Handaufzucht von Meerschweinchen aneignen. Denn bei Meerschweinchen sind Probleme bei der Aufzucht leider schon fast eher die Regel, als die Ausnahme. Vor allem bei Leuten, die noch keine Erfahrung mit Meeribabys haben. Schwache Jungtiere, ein zu großer Wurf, eine zu schwache oder verstorbene Mutter – all das ist keine Seltenheit. Und im Falle eines Falles muss man die Waisenbabys dann alle 2 Stunden päppeln – auch nachts!
Meerschweinchenbabys sind unglaublich groß im Verhältnis zur Mutter. Schon vor der Geburt haben sie Fell, die Augen sind schon 2 Wochen vor der Geburt geöffnet. Kaum sind sie auf der Welt, laufen sie auch schon los und probieren Futter. Da ist es nur logisch, dass es oft zu Problemen bei der Geburt kommt, wenn die Babys so riesig sind. Bei kleinen Würfen sind die einzelnen Babys sogar noch größer, wodurch oft ein Kaiserschnitt nötig wird, weil ein Riesenbaby im Geburtskanal steckenbleibt. Ein Kaiserschnitt kostet mindestens 200 Euro, meistens eher das Doppelte. Selten überlebt die Mutter oder eines der Babys. Es gibt Rassen, die besonders oft zu Komplikationen bei Trächtigkeit und Geburt neigen. Dazu gehören u. a. Schweizer Teddys und Lunkaryas, vermutlich wegen ihrer Neigung zu Übergewicht. Doch ich selbst hatte auch schon Komplikationen bei schlanken Schweizer Teddys.
Bekommt man nicht rechtzeitig mit, dass es Probleme bei der Geburt gibt, findet man oft nur noch ein unterkühltes Weibchen, das man einschläfern muss mitsamt der Babys im Bauch oder man findet eine bereits tote Mutter. Manche Mütter schaffen es, aus purer Verzweiflung, das feststeckende Baby so kraftvoll herauszuziehen, dass das Baby dabei zerreißt und stirbt. Manche Mütter überleben das, andere nicht. Letzteres habe ich im Übrigen gleich bei einem der ersten Würfe erleben dürfen und es ist wirklich kein schöner Anblick, wenn man einzelne Teile eines Babys im Gehege findet. Es war der erste Wurf meines Weibchens und sie war leider mit nur einem einzigen Baby trächtig, das etwa so groß war wie normalerweise 3 – 4 Wochen alte Babys.
Das ist aber noch lange nicht alles. Meerschweinchen haben eine sehr empfindliche Verdauung. Trächtige Weibchen brauchen eine gleichmäßige Gabe von allen wichtigen Nährstoffen, damit gesunde Babys in ihnen heranwachsen können. Zu viele Nährstoffe führen aber dazu, dass es später Probleme gibt. Am Ende der Trächtigkeit steigt der Energiebedarf der werdenden Mütter enorm an. Gibt es von Anfang an zu energiereiches Futter, so können die Mütter sich am Ende nicht mehr in ihrem Energiebedarf steigern, da sie ja schon die ganze Zeit so energiereich wie möglich gefressen haben. Daraufhin kommt es zu einer sogenannten Trächtigkeitstoxikose. Eine Vergiftung, bei der der Stoffwechsel entgleist. Die Mutter stirbt, bevor die Babys zur Welt kommen, es kommt zu einer Frühgeburt und die Mutter und Babys sterben in kürzester Zeit. Gegen die Toxikose gibt es kaum hilfreiche Mittel. Dass die Toxikose eine ernstzunehmende Gefahr ist, zeigt die Tatsache, dass gerade Zuchtanfängern die tragenden Weibchen nur so wegsterben. Als ich meinen ersten Zuchtbock beim Züchter abholte, erzählte mir die Züchterin, dass ihre ersten drei (!) tragenden Weibchen alle an der Trächtigkeitstoxikose gestorben sind. Sie wollte schon wieder die Zucht einstellen, doch andere Züchter sagten ihr, das sei völlig normal am Anfang und sie solle sich nicht entmutigen lassen. All das erzählte sie mir, weil mir noch der erste Wurf bevorstand und auch mir so etwas hätte passieren können. Man sieht also, dass bei Meerschweinchen häufiger etwas schiefgeht, als bei manch anderen Tierarten.
Die Toxikose kann aber auch erst nach der Geburt auftreten und dann heißt es: Alle 2 Stunden Babys päppeln, auch nachts!
Dass bei unwissenden „Babymachern“ alles gut geht, ist eher eine Glückssache. Da niemand darüber spricht und viele nicht auf diese wichtigen Punkte achten, muss die Dunkelziffer missglückter Zuchtversuche verdammt hoch sein.
Leichtgewichtige Babys, die gerade einmal 50 – 60 g bei der Geburt wiegen, sind oft das Ergebnis falscher und energiearmer Fütterung während der Trächtigkeit. Diese Babys müssen ebenfalls alle 2 Stunden gepäppelt werden. Das normale Geburtsgewicht liegt je nach Rasse bei 80 – 100 g.
Es ist kein Zufall, dass so viele Leute, die z. B. unwissentlich ein tragendes Weibchen gekauft haben, die Babys dann später päppeln müssen. Sie wussten nichts von der Trächtigkeit, haben dementsprechend weniger Futter zur Verfügung gestellt, als benötigt worden wäre und die Babys kommen viel zu dünn zur Welt.
Auch ich habe nicht sofort alles richtig gemacht. Die Babys in meinem ersten Wurf wogen alle um die 75 g. Das ist schon echt wenig, vor allem für Schweizer Teddys, die wiegen normalerweise eher um die 100 g bei der Geburt. Und ich hatte extra schon so gefüttert, als ob noch zwei erwachsene Tiere mehr im Gehege wären. Trotzdem hat es nicht gereicht. Man unterschätzt, was für einen enormen Energiebedarf Meerschweinchen während der Trächtigkeit und der Aufzucht ihrer Jungtiere haben.
Ein anderes Problem stellt die Tatsache dar, dass Meerschweinchen nur zwei Zitzen haben. Mit drei Babys klappt das Säugen meistens noch ganz gut. Bei vier Babys muss man aber oft schon ein paar Babys päppeln. Oft bekommen die Meerschweinchenmütter eine Gesäuge-Entzündung, wenn sie 4 oder mehr Babys haben. Durch das viele Säugen werden die Zitzen wund und entzünden sich. Entweder trennt man die Mutter dann von den Babys (kein Tier darf alleine sitzen!), oder man muss ihr einen Body anziehen, damit die Babys nicht an die Zitzen gehen und Eiter trinken. So oder so müssen dann alle Babys alle 2 Stunden gepäppelt werden und die Mutter braucht ein Antibiotikum sowie Bird Bene Bac zum Aufbau der Darmflora.
Zu gerne werden all diese berechenbaren Ursachen auf "kranke Eltern", „vorherige schlechte Haltung“ oder „schlechte Gene in der Abstammung“ geschoben. Natürlich gibt es solche Ursachen. Aber leider ist es so, dass die Mehrheit dieser Komplikationen auf Unwissenheit zurückzuführen ist, weil man sich nicht ausreichend informiert und „einfach nur mal süße Meerschweinchenbabys haben will“.
Es reicht nicht aus, im Internet nach Erfahrungen zu fragen oder Bücher zu lesen. Selten wird auf die Warnungen und Erfahrungen von Züchtern, Notstationen oder Tierheimen gehört.
Neben all diesen vermeidbaren Komplikationen gibt es auch Komplikationen, die man nicht vermeiden kann. Totgeburten zum Beispiel. Es sind schreckliche Bilder, die ein Kind für den Rest des Lebens traumatisieren können. Meerschweinchen fressen instinktiv totgeborene Babys an oder ganz auf, damit sie keine Fressfeinde anlocken. In diesem Fall findet man halb aufgefressene Babys im Stall und das ist kein schöner Anblick. Was ist, wenn die Kinder als Erstes zum Stall gehen und so etwas vorfinden? Sind sie alle abgehärtet genug, um so etwas zu verkraften? All diese Komplikationen sind selbst für erfahrene Züchter schwer zu verkraften und so manch einer hört genau aus diesen Gründen ganz schnell wieder mit der Zucht auf.
Zudem gibt es leider auch ansteckende Krankheiten, die einem Tier nicht anzusehen sind. Manche Tiere tragen „latent“ Krankheiten mit sich herum, die bei dem Tier selbst nicht ausbrechen. Sie scheiden aber die Krankheitserreger ihr Leben lang aus und stecken andere Tiere im Gehege damit an. Bei Tieren mit einem schwachen Immunsystem kann so eine Krankheit dann schnell ausbrechen, wenn es angesteckt wurde. Trächtige Weibchen und Babys sind dabei besonders gefährdet. Neue Tiere einige Wochen in Quarantäne zu halten (niemals alleine halten!) kann die Gefahr solcher Krankheiten reduzieren, aber Krankheiten wie z. B. Kokzidien, Chlamydien, Mykoplasmen oder E. Cuniculi werden dadurch selten erkannt. Hat man seine Tiere vor der Verpaarung nicht auf solche lebensgefährlichen Krankheiten testen lassen, so kann man u. a. durch das trächtige Tier all seine Tiere anstecken und seinen gesamten Bestand verlieren. Von solchen Fällen habe ich in letzter Zeit leider häufiger gelesen, deswegen möchte ich es nicht unerwähnt lassen. Denn für mich ist es die schlimmste Vorstellung, alle meine Tiere zu verlieren, nur weil ich ein neues Tier ungetestet zu meinen geliebten Schweinchen gelassen habe.
Dann gibt es da noch Erbfehler, Gendefekte und andere genetische Komponente, die Einfluss auf die Gesundheit der Babys haben. Nur wenn beide Elterntiere einen Stammbaum haben, dürfen sie überhaupt zur Zucht eingesetzt werden. Wenn ein Züchter angibt, dass ein Tier nicht für die Zucht eingesetzt werden darf, dann hat das auch seine Gründe. Wer den Züchter hintergeht und trotzdem mit dem Tier züchtet, muss selbst mit den Konsequenzen leben, die daraus folgen werden. Aber auch gesunde Tiere können kranken Nachwuchs zur Welt bringen, wenn man nicht weiß, wie die Gene zusammenspielen und man einfach drauf los irgendwelche Tiere zusammensetzt. Bei Kaninchen gibt es z. B. einen Gendefekt, der bei der Verpaarung von zwei Schecken dazu führt, dass ein Teil der Babys nicht lebensfähig ist und nach kurzer Zeit verstirbt. Diese Babys nennt man „Chaplins“. So einen ähnlichen Gendefekt gibt es bei Meerschweinchen auch. Bei Meerschweinchen sorgt der sogenannte „Lethalfaktor“ dafür, dass Dalmatiner- und Schimmelmeerschweinchen ihr schickes Fleckenmuster erhalten. Der Lethalfaktor zieht dabei die Farbe aus dem einzelnen Haar heraus und lässt es weiß erscheinen. Er bleicht das Fell sozusagen aus. Verpaart man zwei Tiere, die diesen Lethalfaktor in sich tragen, so wird die „Ausbleichung“ so extrem, dass sie auf Organe der Babys übergreift. Die Babys sind schneeweiß, die Augen werden nicht komplett ausgebildet oder fehlen ganz, die Tiere sind taub und die Zähne fehlen. Sie können nur schwer oder meistens auch gar nicht selbstständig fressen und müssen ihr Leben lang alle zwei Stunden gepäppelt werden. Die meisten dieser sogenannten „Lethal Whites“ sterben innerhalb der ersten Wochen. Nur wenige werden ein paar Jahre alt.
Wer keinen Stammbaum für seine Tiere hat, kann nicht sehen, ob die Vorfahren Dalmatiner oder Schimmel waren. Jedes Tier, das auch nur ein einziges weißes Haar hat und keinen Abstammungsnachweis hat, kann theoretisch ein Schimmel oder Dalmatiner sein. Selbst bei Nichtvorhandensein eines weißen Haars kann man sich nicht sicher sein, dass das Tier frei von diesem Gendefekt ist. Damit besteht bei jeder Verpaarung von Tieren ohne Stammbaum die Gefahr, dass schwerbehinderte Babys zur Welt kommen. Und der Lethalfaktor ist nicht der einzige krankhafte Defekt, der bei falschen Verpaarungen zum Problem werden kann. Ich persönlich bin deswegen zum Beispiel grundsätzlich dagegen, dass man Dalmatiner und Schimmel überhaupt züchten darf, wenn sie doch alle Träger von einem Gendefekt sind. Aber das mal nur so am Rande.
Aber gehen wir mal davon aus, dass alles gutgeht, auch wenn das bei Anfängern wirklich nicht die Regel ist.
Was ist denn, wenn 5 Böcke geboren werden? Unkastrierte Böcke bekommt man so gut wie überhaupt nicht vermittelt. Es sei denn, man verscherbelt die armen Kerle für 5 Euro. Dann kommen nämlich die Schlangenhalter und nehmen das günstige Tier gerne an, um es ihrer Schlange zum Fraß vorzusetzen.
Ohnehin besteht da noch das Problem, dass Meerschweinchen 4 – 6 Wochen lang gesäugt werden, Böcke aber schon im Alter von 3 Wochen erfolgreich decken können (!! Ganz wichtig !!). Die Böcke alle so früh von ihrer Mutter zu trennen ist unverantwortlich, denn sie müssen noch gesäugt werden und lernen noch viel von ihrer Mutter. Deswegen sollten sie alle frühkastriert werden. Je nach Region kostet eine Kastration meistens zwischen 40 und 70 Euro. Und das schlimmstenfalls für 5 Böcke. All das muss vor der Verpaarung einkalkuliert werden. Das heißt, bevor man mit dem Verpaaren von Meerschweinchen anfängt, sollte man das Geld für 5 Kastrationen zur Seite legen sowie nochmal das Geld für einen Kaiserschnitt. Das macht dann so etwa 650 Euro, die man für den Notfall auf jeden Fall parat haben sollte, lieber mehr.
Aber wie wird der Zuchtbock gehalten? Meerschweinchen dürfen nicht alleine gehalten werden, da sie sehr darunter leiden. Die meisten Meerschweinchen fressen schlecht, wenn sie alleine sind oder stellen das Fressen komplett ein. Deswegen braucht der Zuchtbock unbedingt einen Partner. Dafür eignet sich ein jüngerer Frühkastrat. Der Frühkastrat ordnet sich dem Älteren sofort unter und zeigt in der Regel auch in der Pubertät kein Rangverhalten. So kann der Frühkastrat auch beim Zuchtbock bleiben, wenn er Damenbesuch bekommt. Wenn man einen Zuchtbock haben möchte, braucht man also insgesamt schon wieder mindestens zwei weitere Schweinchen und auch ein entsprechend großes Gehege. Und wenn es wirklich nur ein einmaliger Wurf sein soll, dann sollte der Zuchtbock auch kastriert werden, sobald das Weibchen trägt. Ein potentes Leben ohne Damen ist für einen Bock nämlich durchaus anstrengend.
Also lasst uns mal an dieser Stelle zusammenrechnen, wie viele Tiere und wie viel Platz man für einen Wurf eigentlich so einplanen muss... Wir haben das Zuchtweibchen. Das möchte auch einen Partner, am gesündesten ist als Partner ein kastrierter Bock. Dann ist da noch der Zuchtbock, der einen Frühkastraten als Partner möchte. Zwei Gehege für je zwei Schweinchen braucht man also schonmal. Dann kann es sein, dass das Weibchen 5 Böcke zur Welt bringt. Potente Böcke, aber auch kastrierte Böcke warten in der Regel länger auf ein Zuhause, als Weibchen. Man muss also auch noch Platz für fünf erwachsene Böcke einplanen sowie weitere Gehege für den Fall, das die Schweinchen sich nicht alle verstehen. Am besten sollte man also schon vor der Verpaarung genug Abnehmer für Böcke und für Weibchen haben. Züchter nehmen in der Regel nur Tiere bei sich auf, die ihnen bei ihrem Zuchtziel weiterhelfen und einen Stammbaum haben. Zudem planen gute Züchter ihre Würfe auch immer so, dass jedes einzelne Tier so lange bei ihm bleiben kann, wie es nach einem guten Zuhause sucht. Dadurch ist der Platz für die ungeplante Aufnahme von Meerschweinchen bei Züchtern auch nur sehr begrenzt. Dann müssten die Babys nach der Übergabe an den Züchter auch erst einmal wieder in Quarantäne und sie müssten auf Krankheitserreger untersucht werden, was wieder mit Kosten verbunden ist, die der Züchter für die fremden Tiere nicht eingeplant hat. Eine Abgabe der Babys an den Züchter, von dem man die Zuchttiere hat, ist deswegen normalerweise nicht möglich. Wer Babys in die Welt setzt, muss auch selbst dafür sorgen, dass sie gut unterkommen.
Wer den ganzen Text gelesen hat und trotzdem gerne Meerschweinchen-Nachwuchs haben möchte, der bekommt an dieser Stelle noch einmal eine Zusammenfassung mit allen wichtigen Punkten, die vor der Verpaarung zu beachten sind – sowie ein paar Zusatzinformationen:
- Einen Züchter suchen, der Tiere mit Abstammungsnachweis abgibt und keine Schimmel oder Dalmatiner in den Linien hat
- Einen Tierarzt suchen, der Frühkastrationen macht
- Genügend Geld zurücklegen, um alle Frühkastrationen bezahlen zu können
- Genügend Geld zurücklegen, um einen Kaiserschnitt bezahlen zu können
- Notfallnummer einer Tierarztpraxis/Tierklinik bereithalten, die 24 Stunden Bereitschaftsdienst hat
- Sicherstellen, dass man rund um die Uhr mobil ist und den Tierarzt erreichen kann
- Wissen über Farb- und Rassegenetik aneignen (Internet, Bücher)
- Sich über Zuchtalter, Zuchtreife und Zuchtfehler informieren
- Ggf. vorab schon einmal Meerschweinchenzucht-Seminare besuchen
- Wissen über die Handaufzucht von Meerschweinchen aneignen
- Die Geschlechter von Meerschweinchen 100%ig richtig bestimmen können, gleich am ersten Tag
- Genügend Gehege mit ausreichender Größe, 2 m² pro Gehege minimum (Gehege für Zuchtböcke, für Zuchtweibchen, Notfall-Gehege, falls die Babys von der Mutter wegen Komplikationen getrennt werden müssen, Quarantänegehege für neue Tiere)
- 2 – 6 Wochen Quarantäne bei neuen Tieren, aber niemals ein Tier alleine halten
- Neue Tiere auf Krankheiten testen
- „Notfall-Apotheke“: Für den Notfall Medikamente bereits vor der Verpaarung im Haushalt haben - Minimalanforderungen:
- Aufzuchtsmilch ohne Taurin
- Herbi Care Plus Päppelbrei
- 1 ml Spritzen ohne Nadel
- Bird Bene Bac
- Rodicare akut
- Sab Simplex
- Gleitgel (falls ein Baby bei der Geburt steckenbleibt)
- Wärmekissen/Wärmflasche/Snuggle Safe
- Vitamin-C-Pulver
- Globulis Pulsatilla D6 (Wehenschwäche)
- Globulis Lac Caninum D6 (zu wenig Milch)
- Schon vorher nach passenden Abnehmern für den Nachwuchs suchen und dabei auf gute Haltung achten (keine Plastik-Käfighaltung usw.)
- Sich Zeit lassen, nichts überstürzen. Mindestens 2 Jahre Meerschweinchen-Erfahrung!
Die von mir geschilderten Punkte sind keine Übertreibungen, bei Meerschweinchen geht während der Trächtigkeit, der Geburt oder der Aufzucht wirklich verdammt oft etwas schief und ich möchte, dass Personen, die an der Zucht interessiert sind, bestmöglich aufgeklärt und beraten werden, bevor es am Ende böse Überraschungen gibt. Ich möchte niemanden davon abhalten, Meerschweinchen zu züchten. Wer alles gut durchdacht hat, ist herzlich unter den Züchtern willkommen. Ich möchte nur darüber aufklären, was „Zucht“ eigentlich bedeutet, da die meisten einfach die falschen Vorstellungen davon haben. Züchten ist so viel mehr, als einfach nur "ein Bock mit einem Weibchen zusammenzusetzen". Ich möchte, dass jeder vor der Verpaarung schon weiß, was auf ihn zukommt und was es an Komplikationen alles geben kann. Wer schon einmal von den Komplikationen gehört hat, der kann im Ernstfall sich auch daran erinnern und seinem Weibchen sogar das Leben retten. Ich möchte, dass jeder, der über Meeri-Nachwuchs nachdenkt, schon vorher das Geld für einen Kaiserschnitt parat hat, damit bei Problemen das Weibchen mit den Babys nicht eingeschläfert wird, nur weil es „einfacher und günstiger“ ist. Jedes Leben ist lebenswert und es sollte jedem Tier eine Chance gegeben werden können.
Was ich verhindern möchte, ist wildes Vermehren. Wenn jemand zwei Tiere verpaart, dann bitte Tiere, die genetisch zueinander passen und dafür braucht man nun einmal Wissen, das man sich nicht mal eben so in ein paar Tagen aneignen kann.
Obwohl ich schon immer züchten wollte, habe ich vor dem Züchten erstmal als Notstation angefangen, weil es in dieser Region zu viele Menschen gibt, die unüberlegt Meerschweinchenbabys produzieren und auf dem Nachwuchs sitzen bleiben. Am Ende wird der Großteil dieser unüberlegt produzierten Meerschweinchen in Tierheime gegeben oder sogar ausgesetzt. Ich habe gerne die Schweinchen bei mir aufgenommen, die es besonders schlimm erwischt hat. Zum Beispiel Meerschweinchen, die nicht nach Geschlechtern getrennt waren und auf viel zu wenig Platz gehalten wurden, wodurch sie sich alle gegenseitig gedeckt haben. Aufgrund des geringen Platzes haben sie sich auch gegenseitig stark verletzt bei Kämpfen aus Unzufriedenheit. Die Behandlungen waren langwierig und teuer, doch es ist toll, wenn aus einem dürren, kranken, ängstlichen Tier mit der Zeit ein kräftiges, gesundes Tier wird, das nach und nach das Vertrauen zu den Menschen zurückgewinnt. Doch es gibt zu viele Tiere, die dasselbe Schicksal haben. Und das einfach nur, weil alle süße Meerschweinchenbabys haben wollen, die dann aber auch irgendwann mal groß werden und plötzlich langweilig sind und weg müssen. Wenn ich zehn Schweinchen rette, werden zeitgleich wieder irgendwo zehn Meerschweinchen geboren, die nach einem Zuhause suchen. Durch die vielen „schlechten“ Züchter haben viele ein falsches Bild von Züchtern und wollen ihre Tiere nicht mehr von einem Züchter holen. Sogar viele Notstationen scheren gute Züchter mit den schlechten Züchtern über einen Kamm und raten davon ab, Meerschweinchen bei jemandem zu holen, der sie bewusst in die Welt gesetzt hat. Denn die Babys würden ja „den armen Meerschweinchen in Not ihre Plätze wegnehmen“. Dadurch bleiben viele Züchter lange auf ihren Tieren sitzen, weil viele „nur noch Meerschweinchen aus Notfällen“ haben wollen oder Meerschweinchen selbst retten. Dadurch sind die richtigen, guten Züchter, die jede Verpaarung mit Herz und Verstand setzen, in den letzten Jahren immer weniger geworden. Man kann keine neue Verpaarung setzen, wenn die Babys teilweise ein halbes Jahr auf einen Abnehmer warten müssen und die Plätze noch belegt sind. Das „gute“ Züchten wird zu teuer und viele geben auf.
Und das hat mich dazu bewegt, doch mit dem Züchten anzufangen. Ich möchte zeigen, dass Züchten auch richtig geht, mit viel Platz, gesunder Ernährung, mit Kenntnissen über Genetik, mit Augenmerk auf Gesundheit und mit der Möglichkeit, jedem Tier die entsprechende Behandlung zukommen zu lassen, die es braucht. Gutes Züchten ist teuer, doch es ist ein Hobby und ich investiere gerne mein Geld und meine Zeit in meine geliebten Vierbeiner. Ich möchte meine Meerschweinchen nicht an Liebhaber abgeben, sondern in erster Linie dafür sorgen, dass Zuchttiere auch in Züchterhänden bleiben. Züchteranfragen haben bei mir immer Vorrang, denn es gibt zu wenig gute Züchter und zu wenige, geeignete Tiere für die Zucht. Ich möchte keinen Liebhabertieren die Liebhaberplätze wegnehmen. Ich gebe natürlich meine Tiere auch an Liebhaber ab, vor allem müssen ja auch die Rentnerschweinchen am Ende ihres Zuchteinsatzes ein passendes Zuhause finden. Aber es ist nicht mein Ziel, meine Tiere in Liebhaberhände abzugeben. Ich züchte, um die Rasse zu erhalten und weiter zu festigen und das kann ich nicht alleine, dafür brauche ich andere Züchter mit ähnlichem Zuchtziel, die dann wiederum die Tiere für ihr Zuchtziel benötigen, die ich abzugeben habe. Meine Böcke werden alle kastriert an Liebhaber abgegeben, eben genau um „einmal Babys haben“ zu verhindern. Jemand, der unbedingt einmal Nachwuchs haben will, muss sich einen Bock also woanders suchen.
Ich habe mich jahrelang in das Thema Zucht eingearbeitet und habe mich erst an sie herangetraut, als ich mich wirklich dafür bereit fühlte und ich mir sicher war, dass ich zu jedem Zeitpunkt genügend Rücklagen habe, um einen Kaiserschnitt oder andere Operationen zu bezahlen. Bitte lasst euch genug Zeit mit der Entscheidung. Meerschweinchen sind klein und niedlich, aber sehr anspruchsvoll. Gerade beim Züchten. Es geht mir um das Wohl der Tiere und ich denke, dass niemand wirklich das Leben seiner geliebten Schweinchen auf’s Spiel setzen möchte, nur um „einmal Babys zu haben“. Denkt an eure Schweinchen und wägt wirklich gut ab, ob ihr die Verantwortung für eine reibungslose Trächtigkeit und Aufzucht der Jungtiere wirklich übernehmen wollt und auch könnt.